Cross Cluster Innovativ von der Allianz Faserbasierte Werkstoffe und proHolz Baden-Württemberg.
Am Anfang steht die Faser – bei der Online-Veranstaltung Cross Cluster Innovativ am 26. November 2024 wagten die Teilnehmer gemeinsam einen Blick über den Tellerrand: Auf der gemeinsamen Veranstaltung von der Allianz Faserbasierte Werkstoffe AFBW und proHolz Baden-Württemberg wurden fachübergreifende Projekte vorgestellt, die in der Architektur, Mobilität oder Industrie Holz mit Textilien verbinden, so zum Beispiel auch in der Faserverbundtechnik.
Uwe André Kohler, Geschäftsführer proHolzBW, eröffnete die Veranstaltung, die nun schon im achten Jahr stattfindet. Danach begrüßte Frau Sadiah Steibli von der AFBW die Teilnehmenden und stellte die Tätigkeitsschwerpunkte der AFBW vor. Der Moderator der Veranstaltung, Prof. Markus Milwich von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF), führte durch die Veranstaltung.
Laura Kiesewetter vomInstitute for Computational Design and Construction, University of Stuttgart stellte anhand des „Wangen Turm“ das Bauen mit selbstformenden Holzelementen vor. Die Selbstformung wird dadurch erreicht, indem einzelne Holzlagen mit unterschiedlichen Faserorientierungen zu einem anisotropen Brettsperrholz (BSP) verklebt werden. Bei der Trocknung entstehen durch unterschiedliches Schrumpfen der Einzelschichten eine Verwindung/Wölbung /Krümmung der Platten, ähnlich dem Bi-Metall-Effekt. Dieser Effekt kann durch eine Simulation mit entsprechenden Materialmodellen sehr genau vorberechnet bzw. eingestellt werden. Beim Zusammenbau zum Turm entsteht durch Verwendung der verwundenen Holzelemente eine hohe Steifigkeit der Konstruktion. Während die Windlasten weitgehend von der Holzschale abgetragen werden, trägt die im Inneren des Turms eingebaute stählerne Treppenspindel die Besucherplattform. Der Bewitterungsschutz besteht aus einer Lerchenholzfassade mit Hinterlüftung. Der Wangen Turm zeigt anschaulich eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten aus Design, Material, Konstruktion und Planung.
Michael Eichhorst vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. stellte „WoodTrusion“ vor, eine Technologie zur Herstellung hochfester Konstruktionshalbzeuge aus einheimischen Dünnhölzern. Dabei geht es um eine neuartige, industrietaugliche und wirtschaftliche Technologieentwicklung, mit welcher bisher nicht baulich genutzte Dünnhölzer zu hochwertigen technischen Profilen bzw. Konstruktionsmaterial verarbeitet werden können. Holz besteht aus Cellulosefasern, Lignin, Extraktstoffen und Mineralien. Die Holzstangen bzw. die Zwischenräume der Leitungsbahnen im Holz werden unter Druck und Wärme verdichtet und geformt. Der Verdichtungsgrad beeinflusst die mechanischen Eigenschaften des Holzes: Durch den Kollaps der Kanäle im Stamm kann die Steifigkeit des Materials bis zum Faktor 12 erhöht werden.
Im Forschungsprojekt wurde eine Woodtrusion-Anlage entwickelt, in der Rundhölzer fortlaufend zu verdichteten geformten Holzstangen verpresst werden. Dieser Teil der Anlage umfasst ein Holzstangen-Materialmagazin, welches die Anlage kontinuierlich im Revolverprinzip bestückt. In der folgenden Presseinheit werden die Holzstangen durch eine konische Düse gedrückt und dort komprimiert. Am Düsenausgang ist eine Umwindeeinheit positioniert, die das austretende Holzrohr mit Carbonfaser-Towpregs im Orbital-Wickelverfahren armiert und somit die Rückstellkräfte des Holzes kompensiert. Die Temperatur des Holzes von 120 – 150 °C wird zu Härtung des Towpreg-Harzsystems genutzt. Es wurden verschiedene Verdichtungsversuche mit verschiedenen Umformgeschwindigkeiten durchgeführt, als Material wurden Fichtenholzstangen in möglichst gleicher Qualität verwendet. Der werkstofflich-technologische Lösungsansatz ist auf andere Profilgeometrien und Holzarten übertragbar. (stfi.de). Die so hergestellten klimafreundlichen hochlasttragenden Verbundrohre können sehr hohe Lasten aufnehmen und könnten in vielen Fällen Stahlträger oder Betonstreben ersetzen.
Der Rohstoff Holz kann bei kluger Verwendung als Bau- und Werkstoff sehr lange im Kreislauf genutzt werden. Ein Team von Architekten und Ingenieuren der Hochschulen Konstanz, Stuttgart und Karlsruhe haben es sich mit proHolz Baden-Württemberg zur Aufgabe gemacht, die Betonschalungen der Baustelle des neuen Hauptbahnhofs in Stuttgart einem neuen Zweck zuzuführen: Im Rahmen des Forschungsprojekts „Stuttgart 210: Weiterdenken – weiterbauen!“ werden Möglichkeiten zur Wiederverwendung der Betonschalungen untersucht und anschließend im Rahmen eines Pilotprojekts umgesetzt. Prof. Dipl.-Ing. Stefan Krötsch, Fachgebiet Baukonstruktion und Entwerfen an der HTWG Konstanz, ist Koordinator der Forschungsinhalte und berichtete über den Stand des Projektes. Die Motivation für das Forschungsprojekt waren aufwendig hergestellte, ausgediente Beton-Schalungen, die wieder einer neuen Verwendung zugeführt werden sollen. Holz, je natürlicher es verwendet wird, ist grundsätzlich ein Kreislaufprodukt. Stuttgart 210 untersuchte im Rahmen der verschiedenen Möglichkeiten des Up- und Downcyclings die Wiederverwendung von Holz-Schalungen, um von der thermischen Verwertung der mit einer entsprechend schlechten Ökobilanz wegzukommen. Da es für die Wiederverwendung von Betonschalungen als Baumaterial bisher keine baurechtlichen Bestimmungen gab, war auch im Forschungsprojekt die juristische Einordnung des „Upcyclings“ von Bauhilfsmitteln ein Kernthema. Als weiterer wichtiger Bestandteil wurde eine Ökobilanzierung durchgeführt bzw. die Verfahren zur Bilanzierung angepasst. Durch die Wiederverwendung der Holzschalungen in neuen Bauten kann der Atmosphäre dauerhaft sehr viel CO2 entzogen werden. Im Projekt wurde in einem neuen, „umgekehrten“ Denkansatz der Bauprozess nicht von einem theoretischen Planungsansatz her, sondern ausgehend von bereits bestehenden Bauteilen konzipiert und weitergedacht. Prof. Krötsch stellte neben mehreren geplanten Reallaboren (u.A. „Circuleum“, Stuttgart-Vaihingen) auch das bereits realisierte Reallabor „Jugendtreff Ingersheim“ vor. Diese wurde im Sommer 2024 zusammen mit Studierenden im Rahmen des internationalen Studiengangs imiad der Universität Stuttgart errichtet.
Moderation: Prof. Dr.-Ing. Markus Milwich, DITF