Muss es deutsche Masken geben?

FREIBURG. Zu Beginn der Corona-Krise waren sie gefragte Mangelware: Masken und persönliche Schutzausrüstung gegen das Virus. Im vergangenen Jahr ist mit Hilfe von staatlichen Fördergeldern und Abnahmeverträgen eine Maskenproduktion in Deutschland entstanden. Unter dem Druck der Billigkonkurrenz aus Fernost kämpfen einige Hersteller nun ums Überleben. Sie werben mit dem Qualitätsversprechen „Made in Germany“ und hoffen auf Unterstützung aus der Politik.


Bis zur Corona-Krise galten Schutzmasken als Massenprodukt, das vor allem in asiatischen Billiglohnländern hergestellt wird. Die Pandemie trieb im Frühjahr 2020 die weltweite Nachfrage und die Preise in schwindelerregende Höhen. In Krankenhäusern und Pflegeheimen wurde die Schutzausrüstung knapp. Die Bundesregierung förderte gezielt den Aufbau einer deutschen Maskenindustrie. Für die Anschaffung von Produktionsanlagen gab es großzügige Subventionen, „um nachhaltig wettbewerbsfähige Produktionskapazitäten in Deutschland aufzubauen und sicherzustellen“, wie es in der Richtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums heißt.


Die Bundesregierung schloss Rahmenverträge mit deutschen Herstellern ab. Rund 290 Millionen FFP2-Masken und 750 Millionen OP-Masken hat der Bund bislang aus deutscher Produktion bezogen. Das geht aus einer BZ-Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium hervor. Doch diese Verträge mit derzeit 37 Lieferanten laufen Ende 2021 aus. Eine Verlängerung ist laut Bundesgesundheitsministerium nicht vorgesehen. Gleichzeitig geraten die deutschen Produzenten von anderer Seite unter Druck: Die EU hat kürzlich die Zoll- und Mehrwertsteuerbefreiung für Maskenimporte bis Ende 2021 verlängert.


„Die größte Herausforderung ist der Preiskampf, der durch Importware aufkommt. Hinzu kommen noch höhere Personalkosten, Rohstoffe aus deutscher Produktion, deutsche Produktionsanlagen“, sagt Jürgen Schindlbeck vom Maskenverband Deutschland. In dem Verband haben sich rund 30 Hersteller mit insgesamt 750 Mitarbeitern zusammengeschlossen. Mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben, zeigt ein Beispiel aus Südbaden: „Viele Kunden – wie beispielsweise Krankenhäuser – müssen auf den Preis schauen. Sie kaufen inzwischen wieder überwiegend Ware, die billig in China produziert wurde“, sagt Michael Hitz. Zusammen mit seiner Frau Abda Hitz hat er im April 2020 die A+M GmbH in Schopfheim gegründet. Das Ingenieurspaar startete mit drei Mitarbeitern – inzwischen produzieren rund 20 Mitarbeiter medizinische Masken. Ab nächsten Monat sollen auch FFP-2-Masken vom Band laufen. Wie es nächstes Jahr weitergeht, wenn der Vertrag mit dem Bund ausläuft, ist ungewiss. „Momentan haben wir auch Kunden aus der Industrie oder Arztpraxen, aber mit den Mengen allein können wir uns nicht über Wasser halten“, sagt Abda Hitz.


Die deutschen Hersteller werben mit kontrollierten Arbeitsbedingungen, kurzen Lieferwegen und umfangreichen Produkttests, die Schadstofffreiheit und Hautverträglichkeit garantieren sollen. „Wir können eine gleichbleibende Qualität bieten, die bei den chinesischen Masken nicht immer gegeben ist“, sagt Abda Hitz. Auch der Branchenverband der baden-württembergischen Textilindustrie, dem 17 Maskenproduzenten aus dem Südwesten angehören, verweist auf Qualitätsprobleme beim Maskenimport. „Bei Billigimporten aus China oder anderen Staaten konnten wir in den vergangenen Monaten immer wieder von gefälschten Zertifikaten und falschen CE-Nummern lesen“, sagt Südwesttextil-Geschäftsführer Oliver Dawid. Masken, die die vorgeschriebene Filterwirkung deutlich unterschreiten, seien nicht nur nutzlos, sondern sogar gefährlich. Sie würden eine falsche Sicherheit vortäuschen, sagt Dawid.


Maskenbeschaffung ist politisch ein heikles Thema


In Südbaden gibt es aber durchaus zufriedene Großkunden von Schutzausrüstung aus ausländischer Produktion. So bezieht das Rehaklinikum Bad Säckingen Masken über einen Lieferanten, der seine Ware aus China importiert. Die Lieferungen seien zuverlässig. Qualitätsprobleme habe es bislang keine gegeben, sagt Peter Mast, Geschäftsführer des Rehaklinikums. Die Kliniken des Landkreises Lörrach lassen schon seit den frühen Tagen der Pandemie Masken vor und nach Bestellung in einem externen Labor testen. Importierte Modelle hätten dabei eine deutlich bessere Filterleistung aufgewiesen als die getesteten FFP-Masken „Made in Germany“, sodass die Lörracher Krankenhäuser bislang nur importierte FFP Masken im Bestand haben, schreibt die Klinik GmbH auf BZ-Anfrage. Anders sei es beim Mund-Nasen-Schutz. Diesen beziehen die Lörracher Kliniken von einem Hersteller aus dem Landkreis. Hier sei zwar der Preis leicht höher, doch habe Qualität und Regionalität überzeugt.


Im internationalen Konkurrenzkampf hoffen die Hersteller auf Schützenhilfe aus der Politik. So fordert der Maskenverband Deutschland, dass die nationalen Notfallreserven mit deutscher Ware aufgefüllt werden. Außerdem sollten bei öffentlichen Ausschreibungen deutsche Hersteller mit klaren Erfüllungskriterien bevorzugt werden. „Krankenhäuser sollten einen Zuschlag erhalten, wenn sie Material in Deutschland oder der EU einkaufen“, schlägt Maskenproduzent Michael Hitz vor. Verbandsvertreter Schindlbeck betont, dass die deutsche Produktion die inländische Nachfrage bedienen kann.


Bei dem heiklen Thema „Maskenbeschaffung“ stoßen die deutschen Produzenten nicht unbedingt auf offene Ohren in der Politik. Die Maskenskandale habe die Zusammenarbeit mit Vertretern aus der Politik sehr verschlechtert, sagt Jürgen Schindlbeck: „Durch die anstehenden Bundestagswahlen wollen viele Politiker nicht mit deutschen Maskenherstellern in Verbindung gebracht werden.“


Kommentar von Stefan Ammann:


Deutsche Maskenproduktion - Sicherheit hat Priorität


Vergangenes Jahr sind zahlreiche Hersteller auf staatliche Bitten hin in die Maskenproduktion eingestiegen. Mit der billigen Konkurrenz aus Asien können es OP- und FFP-2-Masken „Made in Germany“ preislich aber nur schwer aufnehmen. Mit dem absehbaren Ende staatlicher Abnahmeverträge geraten die deutschen Produzenten nun zusätzlich unter Druck. Die kleineren Firmen fürchten um ihre Existenz. Sie fordern Unterstützung aus der Politik, sei es nun durch weitere Abnahmegarantien oder durch die Bevorzugung bei öffentlichen Ausschreibungen. „Pech gehabt“, könnte man diesem Ruf nach staatlicher Unterstützung nun entgegnen: Die Hersteller sind ein unternehmerisches Risiko eingegangen, das sie jetzt selbst tragen müssen. Wieso sollte die Bundesrepublik mit öffentlichen Geldern Firmen subventionieren, die sich im globalen Wettbewerb nicht durchsetzen können? Braucht Deutschland wirklich eine Maskenproduktion, wenn es anderswo deutlich billiger geht?


Die Antwort auf diese durchaus berechtigten Fragen lautet: Ja, denn wir werden auch zukünftig eine breit aufgestellte Grundversorgung mit medizinischen Masken und Schutzausrüstung brauchen. Im Frühjahr 2020 haben wir erlebt, was passiert, wenn die weltweite Nachfrage nach lebenswichtigen Medizinprodukten plötzlich extrem ansteigt, während gleichzeitig die internationalen Liefer- und Produktionsketten stark eingeschränkt sind. Das Hauen und Stechen bei der Maskenbeschaffung und die damit einhergehenden Wucherpreise, Betrugsfälle und politischen Skandale dürfen sich nicht wiederholen. Ärzte und Pflegepersonalmüssen darauf vertrauen können, dass sie zuverlässig mit hochwertiger Schutzausrüstung in ausreichender Menge versorgt sind. Und das nicht erst, wenn die nächste Pandemie schon anrollt. Dass der Bund eine Notreserve anlegt, ist ein erster wichtiger Schritt. Aber diese Reserve wird im Krisenfall schnell geleert sein. Langfristig lässt sich die Versorgung nur sichern, wenn der Staat die deutschen und europäischen Hersteller schützt.
ammann@badische-zeitung.de

Bild: A+M GmbH. Made in Südbaden: Die A+M GmbH produziert in Schopfheim medizinische Masken.

Text: Stefan Ammann (Badische Zeitung)

 

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