Aufruf zur SEAC-Konsultation PFHxA/C6-Chemie Restriktion

Green Deal: Nächster Verbotsreigen gefährdet mehr als 50.000 Arbeitsplätze in der EU-Textilindustrie

Es könnte ein Kahlschlag auch für die deutsche Textilindustrie werden. Das C6-Chemie/PFHxA- Restriktionsverfahren geht auf die Zielgerade zu. Ein REACH-Restriktionsverfahren bei dem der Dossier-Ersteller, das deutsche Umweltbundesamt (UBA), zu keiner Zeit mögliche toxikologische Gefahren der Leitsubstanz PFHxA auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten bzw. genau kalkulierten Emissions- und Immission-Szenarien für die Textilindustrie darstellen konnte.

Der Umwelt- und Fluorchemieexperte von Südwesttextil, Stefan Thumm, begleitete als von EURATEX nominierter Experte von Anfang an sehr aktiv das Verfahren und berichtete bereits darüber (siehe Artikel hier).

Trotz einiger Fortschritte z. B. bei der Ausnahme für textile Medizinprodukte, die der MDR (Medical Device Regulation) unterliegen, wären die Folgen der für die Textilindustrie avisierten Verbote nun, nach der letzten internen Stufe des REACH-Restriktionsverfahrens, wahrlich dramatisch. Die Behörden, die die Textilbranche und andere verbundene Industrien regulieren, haben weder von der Bandbreite an textilen Erzeugnissen noch von der Komplexität der Fluorchemie sowie der textilen Prozesse Kenntnis und zeigen zudem wenig Interesse, sich mit den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze zu beschäftigen. Es scheint geradezu so, als wolle die Behörde einen Stoff unbedingt verbieten, ohne wissenschaftliche Belege und ohne irgendeine Rücksicht auf Machbarkeit und Konsequenzen.

Sieht man sich in der „SEAC-Draft Opinion“ die bisherigen Ausnahmebereiche auf den Seiten 1-4 an, so erhält man die Summe an Textilien, die in Zukunft in der EU nicht mehr herstellbar bzw. verkehrsfähig sind.

Die Verbote betreffen die nachfolgenden Textilsegmente bzw. Erzeugnisse, in denen C6-Chemie eingesetzt wird:

  • Zertifizierte Arbeitsschutztextilien, die der EU-PSA-Verordnung unterliegen, ausgenommen bestimmte Klasse III-Erzeugnisse. In diesem PSA-Bereich gibt es keine Norm, die mit fluorfreien Alternativprodukten funktioniert bzw. zertifizierbar wären.
  • Behörden- und Armeebekleidung, deren technischen Leistungsbeschreibungen (TLs) in Deutschland alle eine fluorhaltige Ausrüstung der Textilien vorschreiben.
  • Kleidung für Rettungs- und Einsatzkräfte bzw. Überlebensschutz, die nicht der PSA-Verordnung unterliegen
  • Qualitäts-Markenbekleidung bzw. Sport- und Outdoorbekleidung für extreme Bedingungen – für professionelle und private Anwender
  • Medizinische Produkte bzw. Hygieneprodukte, die nicht der MDR (Medical Device Regulation) unterliegen
  • Food-Contact-Materials, wie z. B. Transportbänder für die Lebensmittelindustrie

Es soll aber für die EU-Textiler noch sehr viel schlimmer kommen, denn der Verbotsreigen erstreckt sich noch wesentlich weiter:

  • Technische Textilien, bzw. alle beschichten Textilien, die eine C6-Chemie-Ausrüstung als Beschichtungsprozesshilfe benötigen und die generell nicht ausgenommen sind.
  • UV-/Sonnenschutztextilien und schmutzabweisende Architekturtextilien bzw. Textilien für das Baugewerbe
  • Flammgeschütze, schmutzabweisende Textilien für Innenräume, die nicht nur für Maschinenkompartimente im Flugzeug- und Automobilbau Ausnahmen erfordern.
  • Textilen für Elektronikanwendungen, wie z. B. Druckausgleich
  • Textilien für Umweltschutzanwendungen
  • Textilen zu Energieerzeugung, wie z. B. leitfähigen Brennstoffzellen-Textilien
  • Textilien für industrielle Herstellungsprozesse, wie z. B. den Bau von Flügeln für Windkraftanlagen
  • u.v.m.

Trotz fehlender bzw. unzureichender Begründung für das Restriktionsverfahren und fehlender Zahlen, Daten und Fakten hat die ECHA als EU-Fachbehörde für Chemikalienrecht in den zahlreichen Sitzungen des ECHA Risk-Assessment-Committee das PFHxA-Restriktions-Verfahren immer weiter vorangetrieben.

Bei einer Regulierung, die nur noch die „Persistenz“, sprich die nicht biologische Abbaubarkeit eines Stoffes als Regulierungs-Gegenstand betrachtet, kann man fast alle Stoffe wegregulieren, so z. B. auch Speisesalz. Persistenz, übersetzt man in der Industrie auch mit „dauerhaft haltbaren Stoffen/Werkstoffen, die unter aggressiven Bedingungen, wie z. B. hoher Temperatur, starker UV-Einstrahlung u. ä., Stand halten und nicht gleich zu Pulver zerfallen. Jedoch: Persistenz an sich ist nicht „gefährlich“ und kein in REACH definiertes Regulierungskriterium – und sollte es unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten auch niemals werden.

Um der dauerhaften Faktenaversion des deutschen Umweltbundesamtes Abhilfe zu schaffen, hat die europäische Textilindustrie Mitte Mai 2021 in einem Brief der EURATEX an den Chairman of the ECHA Committee for Risk Assessment (RAC), Dr. Tim Bowmer, selbst Zahlen, Daten und Fakten bezüglich der Emissionen an die ECHA übermittelt (siehe Anlage).

Die von den Umweltbehörden in den Raum gestellten zehntausende von Tonnen an PFHxA-Emissionen schmolzen durch die Berechnungen der Textiler beispielsweise bei der initialen textilen Erstausrüstung auf weniger als 100 Gramm PFHxA pro Jahr für die ganze EU zusammen. Dieser Stoff wurde zu Beginn von der ECHA selbst als Alternativ-Stoff propagiert, da er nicht giftig ist und deshalb im Vorfeld der Restriktion auch kein SVHC(Substance of very high concern)-Stoff wurde.

Doch auch die fluorfreien Alternativstoffe sind schon heute im Visier der Restriktion. Auf die Frage, wie es denn mit Daten zur Toxikologie der stattdessen propagierten fluorfreien Alternativstoffe aussehe und welche aktuellen und zukünftigen REACH-Restriktionsverfahren/-Regulierungen diese Stoffe und Prozesse verbieten könnten, konnte das UBA nicht antworten. Die Stiftung Warentest zeigte zudem in ihrem Heft 10/2020, dass bei der Alltags- bzw. Outdoor-Bekleidung die fluorfreien Alternativstoffe bezüglich Wasserabweisung noch erheblich weiterentwickelt werden müssen. Fluorfreie Alternativstoffe können darüber hinaus keine Abstoßungswirkungen für gefährliche Flüssigkeiten/Stoffe entwickeln und halten gerne ölhaltige Verschmutzungen „magnetisch“ am Textil fest. Darum sollte jedes europäische Bekleidungsunternehmen unbedingt prüfen, ob es in Zukunft mit dem aktuellen „fluorfrei“-Leistungsprofil im globalen Markt, sprich in weiter von C6-Chemie- bzw. sogar C8-Chemie-Performance dominierten Märkten bestehen kann.

Willkürliche Regulierung droht

Das PFHxA-Verfahren ist ein Präzedenzfall und öffnet Tür und Tor zur faktenfreien bzw. willkürlichen (politisch motivierten?) Chemikalienregulierung durch die Umweltbehörden auf EU-Ebene. Das nächste Level ist mit dem kommenden PFAS-Regulierungsverfahren der Fluorchemie und Verboten von über 4500 Stoffen und Tausenden von Erzeugnissen in Sicht.

Fachleute wissen, was allein die avisierten Erzeugnis-Verbote im PFHxA-Verfahren für die EU-Textilindustrie bedeuten werden, vor allem, wenn der EU-Verbraucher Qualitätstextilien dann nur noch über den Internethandel aus dem EU-Ausland beziehen kann, deren Import in die EU faktisch nicht kontrolliert wird. Das dafür zuständige SEAC-Committee der ECHA hat bis heute eine solche sozioökonomische Analyse, die den Namen verdient, nicht im Ansatz vorlegen können.

Deshalb müssen die Textiler nun ihre Branche abermals mit Allem verteidigen, was sie haben: Es geht um modernen textilen Schutz für Arbeitnehmer und Verbraucher, die Innovations- und Exportfähigkeit der Querschnittsbranche Textil im globalen Kontext, um Nachhaltigkeit durch die Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit von Produkten und vor allem um die Existenz vieler Unternehmen und den Erhalt der Arbeitsplätze in der EU-Textilindustrie.

Nach der letzten Stufe des PFHxA-Restriktionsverfahrens im sozioökonomischen Committee der ECHA (SEAC), sind die Textiler/EU-Bürger seit 7. Juli 2021 gefragt und können den Restriktionsentwurf bis zum 8. August 2021 kommentieren.

Der SEAC-Fragebogen sollte daher dringend genutzt werden, um gleich zu Anfang des Fragebogens im Feld „General Comments“ ein generelles Statement von betroffenen Textilunternehmen abzugeben.

Die wichtige SEAC-Konsultation finden Sie hier.

Zu den Anlagen gelangen Sie hier.

Für Fragen steht Ihnen Stefan Thumm, Leiter Umwelt + Produkte, Mobil: +49 151 28109045 und per E-Mail: umwelt@suedwesttextil.de gerne zur Verfügung.

Bild: Pixabay

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